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Handtuch, Badvorleger, Waschlappen – Gebrauchsgegenstände aus Frottier begleiten unseren Alltag. Dabei war das textile Schlingengewebe in Europa lange unbekannt. Woher kommt es? Wie wird es hergestellt? Wo liegen die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten?
Im Frottier begegnen sich Orient und Okzident
Zwar klingt das Wort Frottier sehr französisch, aber das Gewebe stammt nicht aus Frankreich. Sein Ursprung liegt im Vorderen Orient. Dort wurde handgefertigtes Stoffgewebe mit zweiseitigen Schlingen Mitte des 19. Jahrhunderts von einem Engländer entdeckt. Ebenfalls ab der Mitte des 19. Jahrhunderts trat die Baumwolle ihren Siegeszug als textile Pflanzenfaser an. Englische Manufakturtechnik, Baumwollproduktion sowie orientalische Webkunst fanden damals zusammen. Die Geburtsstunde des ersten maschinell hergestellten Handtuchs aus Baumwoll-Frottier liegt im Jahr 1851. Seit jener Zeit ist Baumwolle das wichtigste Grundmaterial für Frottierprodukte.
Was ist Frottiergewebe und wie entsteht es?
Frottier ist ein Zweikettengewebe. Es gehört wie Velours und Samt zu den dreidimensionalen Polgeweben. Die meisten Textilgewebe sind Flachgewebe. Sie haben eine Breite und eine Länge. Ihre Höhe ergibt sich durch die Garndicke. Frottier entwickelt durch die beidseitigen Schlingen eine zusätzliche Höhe. Deshalb spricht man bei Frottierwaren wie Handtüchern oder Bademänteln davon, dass sie ein Volumen haben.
Gewebe werden mit einer Bindungstechnik hergestellt. Grundlage sind Kette und Schuss. Die Kette wird aus einer Reihe Kettfäden gebildet. Überkreuz im rechten Winkel läuft der Schussfaden hindurch und verbindet die losen Fäden zum festen Stoffgewebe. Je nachdem, wie der Schuss mit den Kettfäden gekreuzt wird, entstehen unterschiedliche Gewebestrukturen und Qualitäten.
Die Kettfäden für die Bindung werden als Basiskette bezeichnet. Bei der Herstellung von Frottier kommt eine zweite Kette ins Spiel – die sogenannte Florkette oder Polkette. Aus ihr werden die feinen Florschlingen hergestellt. Es braucht also ein Dreifadensystem, um Frottier zu produzieren.
Frottierherstellung am Beispiel Handtuch
Die Vorbereitung:
Ausgangslage für das Weben sind Garne. Sie werden kilometerlang auf Garnspulen gewickelt. Im ersten Schritt werden Hunderte Garnfäden in der Zettelei über einen Kamm gespannt und nebeneinander auf Zettelwalzen gewickelt. In der Schlichterei werden diese Fäden durch eine Flüssigkeit gezogen – die sogenannte Schlichte. Man kann auch sagen: Die Garne werden gewachst. Die Schlichte schützt die einzelnen Textilfasern und sorgt dafür, dass die Oberfläche der Garne fester und glatter wird. So können sie ohne Schaden den Webprozess durchlaufen.
Das Weben:
Anschließend werden alle Garne auf den sogenannten Kettbaum aufgewickelt. Der Kettbaum führt die Fäden aus mehreren Zettelbäumen so zusammen, dass die Gesamtkette die gewünschte Breite bekommt. Das ist die Basiskette. Hinzu kommen die Garne für den Schuss und die Polkette, die allesamt vollautomatisch in der Webmaschine verwebt werden. Das Frottiergewebe wird zu Stoffballen von etwa 250 Meter aufgerollt.
Die Veredelung:
Große Waschtrommeln spülen die Stoffballen stundenlang. Anschließend kommt die Färbung. Der Frottierstoff wird geschleudert und auf den Spanner gezogen. Glatt gezogen wandert das Gewebe durch riesige Trockner von etwa 30 Meter Länge. Anschließend wird der Frottierballen in die gewünschten Handtuchlängen zerschnitten. Das Versäumen geschieht in der Näherei. Nun ist das Handtuch im Prinzip fertig.
Qualitätstest:
Ein hochwertiger Hersteller schickt die fertigen Handtücher ins hauseigene Labor und führt einen Qualitätstest durch. Läuft das Handtuch wirklich nicht ein? Färbt es nicht? Bildet es keine Flusen? Wenn alles gelungen ist, kommen die Handtücher in den Handel. In diesem Fall handelt es sich um Handtücher aus Walk-Frottier.
Welche Arten von Frottiergewebe gibt es?
Tatsächlich gibt es nicht nur eine Art von Frottier. Als Gewebe mit Kette und Schuss lassen sich drei Frottierarten unterscheiden.
Walkfrottier:
Die Florkette besteht aus einfachem, in sich gedrehtem Garn. Die Schlingen sind recht lang. Sie erzeugen einen voluminösen, weichen Flor. Im Bad sowie bei Wellness und Sport ist es das Material der Wahl.
Zwirnfrottier:
Die Schlingen bestehen aus hart gedrehtem Zweifach-Garn, sind fester und kürzer. Daraus entsteht ein griffiges, eher festes und robustes Gewebe. Passende Qualität für alle, die es nicht nur kuschelig mögen.
Veloursfrottier:
Die Schlingen werden auf einer Gewebeseite mit einer Schermaschine aufgeschnitten. Sie bilden ein Gewebe, das höher und weicher als Samt ist. Auf der Rückseite bleiben die Schlingen als Walkfrottier geschlossen. Beliebtes Material für Strandtücher.
Was ist Wirkfrottier?
Wirkfrottier ist kein Gewebe, sondern ein Gewirk. Die Herstellung erfolgt ohne Bindung aus Kette und Schuss. Wirkfrottier ist ein Maschengewebe und wird an einer Kettenwirkmaschine erzeugt. Diese Maschinen arbeiten mit Nadeln und können unzählige Maschen gleichzeitig hervorbringen.
Der Unterschied zwischen Bindungstechnik und Maschentechnik liegt in der Elastizität. Gewebe kann nicht gedehnt werden – man denke an ein typisches Handtuch. Wird Frottier per Maschentechnik hergestellt, wird es elastischer und behält doch seine grundsätzliche Form. Für die Formfestigkeit wird der Baumwolle meistens etwas Synthetikfaser beigemengt. Vor allem für Strandkleidung, Pyjamas oder Babystrampler ist Wirkfrottier ideal.
Frottier in der Übersicht
Die vier Frottierarten besitzen sehr unterschiedliche Qualitäten und Vorzüge. Die folgende Tabelle fasst alle wichtigen Merkmale und Anwendungsgebiete zusammen.
Frottierart | Technik | Eigenschaften | Produkte | Anwendungsgebiete |
Walkfrottier | Bindung | Weich, flauschig, voluminös, saugstark | Dusch-, Bad-, Sauna-, Standard-, Gästehandtuch, Seiftuch, Waschhandschuh, Bademäntel, Badvorleger, | Private Haushalte: Badezimmereinrichtung, Wellness-Artikel, Sport Gewerbe: Hotel, Klinik |
Zwirnfrottier | Bindung | Fest, griffig, leicht massierend, robust, sehr saugstark | Dusch-, Bad-, Sauna-, Standard-, Gästehandtuch, Seiftuch, Waschhandschuh, Bademäntel, Badvorleger | Private Haushalte: Badeinrichtung, Wellness-Artikel, Sport Gewerbe: Hotel, Klinik, Pflegeeinrichtung |
Veloursfrottier | Bindung | Eine Gewebeseite samtig, die andere aus Walk- Frottier | Strandtücher, Bademäntel | Private Haushalte: Freizeit Gewerbe: Handtücher als Werbeartikel |
Wirkfrottier | Gewirk | Eine Gewebeseite mit Frottierschlingen, die andere als Maschengewebe, bei Tüchern: robust, festes Garn, leicht massierend, als Kleidung: weich, flauschig, elastisch | Tücher, Bademäntel, Babykleidung, Strandkleider, Shorts, Nachtwäsche, Bettlaken | Private Haushalte: Kinderzimmer, Bad, Freizeit, Schlafzimmer, als Meterware für Näh-Hobby |
Fazit:
Wegen der Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten ist es fast unmöglich, ein Leben ohne Frottier zu führen.
Redaktions-Account von Zeitpuls