Brandschutz in der digitalen Welt

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Brandschutz in der digitalen Welt

Die Komplexität der Gebäudekonstruktion nimmt stetig zu. Zwar erleichtern moderne Maschinen und Werkstoffe den Bau auch und führen zu neuen architektonischen Potentialen. Auf der anderen Seite sind aber gerade die moderne Materialfülle und sich stetig weiterentwickelnde Sicherheitsbestimmungen ein Grund dafür, dass Bauprojekte an Übersichtlichkeit eingebüßt haben.

Die möglichen Komplikationen beim Bau solcher anspruchsvollen modernen Strukturen sind der deutschen Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren gleich an mehreren Beispielen eindrucksvoll vor Augen geführt worden. Auch hier kann die Digitalisierung Abhilfe schaffen.

Dauerbaustellen und Kostenfallen in Deutschland

Die berühmte Dauerbaustelle des Flughafen BER, auch als Berliner Milliardengrab bekannt, gilt bereits international als Geisterflughafen und Zeichen des Niedergangs einstmals anerkannter deutscher Ingenieurskunst. Der Flughafen sollte bereits 2012 fertiggestellt werden, wurde aber aufgrund diverser baulicher Mängel, die erst nach Installation der entsprechenden Anlagen aufgefallen sind, immer wieder massiv zurückgeworfen. Noch heute ist ungewiss wann – oder ob überhaupt – der Flughafen seinen Betrieb aufnehmen kann.

Ein weiteres Beispiel ist die Elbphilharmonie, die zwar mittlerweile fertiggestellt ist und ihre Eröffnungsveranstaltung erleben durfte, allerdings den Steuerzahler statt der veranschlagten 77 Millionen Euro glatt das zehnfache gekostet hat.

Gründe für die Verzögerungen: Fehlende Vernetzung

Einer der Faktoren für die Verzögerung des BER liegt in der Verwendung von Dübeln für Deckenkonstruktionen, die unter Brandschutzgesichtspunkten nicht hätten verwendet werden dürfen. Diese sind zwar korrekt auf die anfallende Traglast hin ausgewählt worden, besitzen aber keine DIN Zulassung und könnten im Brandfall nachgeben. Nun bemüht sich die Flughafengesellschaft nachträglich um eine Sondergenehmigung.

Digitale Vernetzung

Auch die Tatsache, dass die beteiligten Fachfirmen im Laufe des Baus gelegentlich durch neue Firmen abgelöst wurden, führte einerseits zu einer unklaren Verantwortungszuweisung und sorgte andererseits für Unklarheit über wichtige Einzelheiten des Baufortschritts.

Es wird an diesen beiden Beispielen deutlich, dass stärkere Vernetzung der beteiligten Fachkräfte hätte verhindern können, was jetzt unnötig kostspielig oder langfristig sogar zum Sicherheitsproblem wird. Die moderne Lösung, eine solche Vernetzung zu gewährleisten, heißt BIM („Building Information Modeling“), zu Deutsch „Bauwerksdatenmodellierung“.

Gebäudeplanung digital unterstützt: BIM

Durch die hohe Zahl an Fachkräfte verschiedener Branchen, die an Planung, Ausführung, Abnahme und Betrieb der Immobilien beteiligt sind, wird die Notwendigkeit moderner Lösungen zur Herstellung bestmöglicher Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzbereiche klar.

Mithilfe von Softwarelösungen, wie dem BIM, können Fachplaner den hohen Anforderungen besser gerecht werden. Änderungen am Plan durch einzelne Beteiligte wie Architekten, Brandschutzfachplaner oder TGA Fachplaner werden den anderen Beteiligten zur Berücksichtigung angezeigt, damit sie diese im Hinblick auf ihre eigenen Zuständigkeitsbereiche prüfen und berücksichtigen können. Das konventionelle, analoge Vorgehen sieht für diese Prüfung mehrere Revisionsschleifen vor, weil der Plan nacheinander die verschiedenen Stationen hätte durchlaufen müssen, bis alle Teilplanungen aufeinander abgestimmt worden sind.

Bauwerksdatenmodellierung: Vorteile der dynamisch-vernetzten Planung

Eine BIM Software verspricht somit nicht allein Kostenreduzierung und verbesserte Zeiteffizienz, sondern auch eine Steigerung in Punkto Sicherheit. Besonders nützlich sind Plausibilitätsprüfungen und Vorab-Simulationen der eingegebenen Gebäudeelemente, die häufig von verschiedenen Fachkräften entsprechend ihres jeweiligen Fachgebiets geplant werden, letztlich aber kompatibel und vernetzt funktionieren müssen.

Neben der plastischen Modellierung durch den Architekten, kann BIM im nächsten Schritt aber auch Informationen zur verplanten Materialmenge, -beschaffenheit und alle nötigen Hinweise für die beteiligten Fachplaner enthalten, wie die Öffnungsrichtung von Fluchttüren oder deren Feuerwiederstandfähigkeit entsprechend der hier geltenden Norm.

Zu beachtende sicherheitstechnische Vorschriften, die in Normen festgelegt sind, wie beispielsweise der DIN 14675, werden laufend erweitert und verlangen regelmäßige Weiterbildung der Fachkräfte. Software zur Bauwerksdatenmodellierung kann auch hier unterstützend wirken, indem die Zulassung verplanter Baustoffe für die entsprechenden Einsatzorte automatisch geprüft wird.

Eine Dübel-Panne, wie sie sich beim BER abspielte, hätte durch eine solche Software ggf. verhindert werden können, weil bereits bei der Planung aufgefallen wäre, dass das der Konstruktion zugeordnete Material zwar angemessen tragfähig ist, unter Brandschutzgesichtspunkten hier aber nicht über eine Zulassung verfügt.

Bauwerksdatenmodellierung im Betrieb der Immobilie

In der Kombination von dreidimensionaler Simulation und der zentralen Erfassung aller relevanter Informationen liegt das besondere Potential der Bauwerks­daten­modell­ierung. Selbst nach dem Bau des Gebäudes dient die Datenmodellierung des Gebäudes noch als Hilfsmittel in Betrieb und Wartung der Immobilie.

So kann die Wartung der Brandschutzanlage digital unterstützt werden, indem Prüfbetrieben bereits vorab der digital ausgelesene Zustand verschiedener Elemente, wie Rauchabzugsanlagen oder Feuerschutztüren, angezeigt wird und automatische Meldungen zum Wartungszeitpunkt deren Planung erleichtern. Dank der dreidimensionalen Gebäudemodellierung können Firmen, die mit der Immobilie noch nicht vertraut sind, den Weg zu den zu wartenden Einbauten auch leichter finden.

Im Falle eines Brandes kann sich eine solche Software auszahlen, da freie Fluchtwege identifiziert werden können und die dynamische Evakuierung des Gebäudes abseits der Gefahrenbereiche erfolgen kann. Sensoren zur Bestimmung der Luftqualität und seismische Sensoren können wertvolle Frühwarnsysteme mit den nötigen Daten speisen, um im Gefahrenfall möglichst schnell angemessene Schritte einzuleiten.

Digitaler Bauplanung

Förderung Digitaler Bauplanung in Deutschland

Aufgrund der zahlreichen Vorteile im Hinblick auf Ökonomie, Effizienz und Sicherheit von Software zur Bauwerksdatenmodellierung ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese standardmäßig in der Brandschutzplanung eingesetzt wird. Gezielt gefördert wird die Bauplanung mithilfe digitaler Hilfsmittel in Deutschland bereits durch das Bundesministerium für Verkehr und Wirtschaft. Auf dass ein weiteres Milliardengrab im deutschen Bauwesen verhindert werden kann.

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