Darum sind Rollenspiele für Kinder so wichtig

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Puppen
© Tatjana Naß

In andere Rollen schlüpfen, andere Sichtweisen und Positionen im Leben einnehmen – Rollenspiele sind für Kinder wichtige Instrumente, um sich auszuprobieren. Sie ermöglichen, im Spiel Situationen zu erproben, mit denen sie im späteren Verlauf ihres Lebens konfrontiert werden. Damit ist das kindliche Rollenspiel eine Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu erweitern und sich in Sachen Kommunikation zu üben. 

Kindern erleichtert dies den Umgang mit dem eigenen Umfeld, aber auch mit sich selbst. Sie lernen, auf neue Situationen zu reagieren und diese entsprechend zu verarbeiten. Im Rollenspiel schlüpfen Kinder in neue Rollen und erleben die Welt als eine andere Person. So lernen sie neue Blickwinkel kennen und verstehen die Handlungsweisen der Personen um sie herum. 

Das kindliche Rollenspiel: Wer bin ich?

Kinder beginnen meist in einem Alter zwischen zwei und drei Jahren, sich im Rollenspiel auszuprobieren. In dieser Zeit begreifen Kinder sich als Individuum. Diese Selbsterkenntnis ist grundlegend, um sich von anderen Personen abgrenzen zu können und so deren Handlungen und Verhaltensweisen im Spiel nachzuahmen. Meist entscheiden sich Kinder dabei für alltägliche Situationen. Ob nun das Nachahmen beim Kochen, ein Einkauf im Supermarkt, den Besuch beim Arzt oder den Beruf der Eltern – Kinder probieren aus, was sie in ihrem Umfeld erleben und kennenlernen. Je älter sie werden und je mehr sie kennenlernen, desto bunter und abwechslungsreicher, desto phantasievoller wird diese Welt des kindlichen Rollenspiels. Hier kommen später meist Figuren aus Serien und Filmen, Büchern oder Comics mit hinzu. Diese Phase erhält sich meist bis zum Grundschulalter

Erleben und erproben: Warum ist das kindliche Rollenspiel so wichtig?

Kinder machen im Rollenspiel Erfahrungen, die in ihrem richtigen Leben noch weit vor ihnen liegen. Sie haben damit die Möglichkeit, sich in die Welt der Erwachsenen einzufühlen, ohne konkrete Auswirkungen und Konsequenzen zu erfahren. Das bedeutet:

  1. Die Welt des Rollenspiels ermöglicht Kindern, sich mit der Erwachsenenwelt auseinanderzusetzen. Geschehnisse aus dem Alltag werden nachgespielt und es entsteht ein Gefühl und Verständnis für die Welt des Erwachsenseins. Aufgaben und Rollenverteilungen können so erprobt werden, verschiedene Sichtweisen eröffnen sich. So entsteht beispielsweise auch oft der erste Berufswunsch – indem Situationen und Berufe erprobt und nachgeahmt werden und Begeisterung hervorrufen. 
  2. Im kindlichen Rollenspiel können Kinder sich in andere Personen hineinversetzen und mit ihnen zu fühlen. Verschiedene Rollen eröffnen hier unterschiedliche Blickwinkel. Wenn Kinder sich beispielsweise in die Rolle von Mutter oder Vater versetzen und sich um ihr Kuscheltier oder ihre Puppe kümmern, versetzen sie sich in die Elternwelt hinein. Sie sehen die Welt so mit anderen Augen und beginnen zu begreifen, dass verschiedene Abschnitte des Lebens unterschiedliche Aufgaben für sie bereithalten. 
  3. Ein wesentlicher Punkt des Rollenspiels ist das Üben des sozialen Verhaltens. Dies wird besonders deutlich, wenn eine Gruppe von Kindern miteinander spielt. Hier ist eine Rollenverteilung nötig, was klare Absprachen voraussetzt. Dies gilt auch für den Handlungsverlauf. Die Kinder müssen sich untereinander einig sein, was unterschiedliche Anforderungen an sie stellt: Toleranz, aber zugleich auch die Fähigkeit, kreative Ideen einzubringen. Eigene Vorstellungen sollen hierbei nicht nur durchgesetzt werden, sondern auch die Fähigkeit geübt werden, Kompromisse mit anderen zu schließen. Das Rollenspiel erleichtert auch hier, die Sichtweise eines andere einzunehmen und seinen Standpunkt zu verstehen. Kinder lernen hier auch viel voneinander, indem sie einander beobachten und lernen, wie andere sich ihnen gegenüber verhalten. 
  4. Das Rollenspiel ist ebenfalls ein wichtiger Raum, um das Einhalten von Regeln zu erlernen und zu erproben. Spielerisch lernen Kinder hier, welchen Sinn und Zweck Regeln haben und warum es wichtig ist, diese auch einzuhalten. Durch das Einnehmen einer anderen Rolle erfährt ein Kind, wie wichtig es beispielsweise ist, miteinander zu teilen. 
  5. Ein ebenfalls wichtiger Aspekt des Rollenspiels ist das Annehmen und Überwinden von Ängsten und dem Verarbeiten von Erlebnissen. Das Erlebnis im Rollenspiel ist risikolos und Kinder können Erlebnisse gefahrenfrei noch einmal nachstellen, es auf eine andere Weise noch einmal erleben und es so einfacher verarbeiten. Hat ein Kind beispielsweise Angst vor Hunden, wird diese Situation im Rollenspiel oftmals nachgeahmt, indem das Kind die Rolle des Hundes einnimmt. 
  6. Das Rollenspiel bietet ebenso Raum, um Konflikte auszuspielen. Kinder lernen früh, nicht zu fluchen oder Schimpfwörter zu verwenden.  Doch wie Kinder nun einmal sind – was verboten ist, ist umso interessanter. So bietet das Rollenspiel ausreichend Platz, um beispielsweise die Puppe Schimpfwörter verwenden zu lassen und sie dann in der Rolle eines Elternteils auszuschimpfen. In der Rolle der Puppe erlebt das Kind hier die verbotene Situation – zugleich übernimmt es die Rolle der Eltern, die zur Einhaltung der Regeln mahnen. 
  7. Ein ebenso wichtiger Faktor ist die Verbesserung der Kommunikation. Das Rollenspiel erlaubt Kindern, Sprache und Ausdruck zu üben zu verbessern. Dabei fließen neu aufgeschnappte Worte in den Wortschatz mit ein und das Kind lernt dabei, andere besser zu verstehen und sich selbst besser auszudrücken. 
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© Tatjana Naß

Soziale Komponenten erlernen und fördern

Die Förderung sozialer Komponenten ist im kindlichen Rollenspiel also keinesfalls zu unterschätzen. Je größer die Phantasie der Kinder dabei ist, desto besser lernen sie, sich in andere Rollen und Situationen hineinzuversetzen und das Leben auch aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Das Rollenspiel eröffnet Kindern hierbei einen geschützten Raum, in dem sie soziale Fähigkeiten nicht nur erweitern, sondern auch erlernen können. Ein wichtiger Teil des Spiels sind Gefühle: hier lernen Kinder, sie zu erkennen und auch selbst zu zeigen. Egal, ob Zuneigung oder Wut – das Rollenspiel eröffnet eine große, weite Welt voller Möglichkeiten. Leben Kinder hier ein Gefühl aus, haben sie zugleich die Möglichkeit, die Konsequenzen zu sehen – ohne Auswirkungen auf die reale Welt. 

Das Hineinversetzen in andere Personen eröffnet neue Standpunkte und Blickwinkel auf die Welt. Zugleich erleichtert das Rollenspiel den Kindern, ihre Wünsche, Ängste und Bedürfnisse frei auszudrücken. Oft fällt es ihnen leichter, dies im Rahmen einer Rolle auszudrücken, als es ihrem Umfeld direkt mitzuteilen. Eltern haben so durch das Spiel die einzigartige Möglichkeit, die Lebenswelt Ihres Kindes kennenzulernen und zu erkennen, was es beschäftigt. So können Sie einfacher auf ihre Kinder eingehen und die eigenen Verhaltensweisen und Reaktionen anzupassen und abzustimmen. 

Gemeinsam macht es mehr Spaß: Das Rollenspiel unterstützen

Eltern können sich dem Spiel des Kindes anschließen. Sie finden hier eine ideale Gelegenheit, sich in die Gedankenwelt ihres Kindes hineinzuversetzen und das Kind zu fördern und zu unterstützen:

  • Kinder lieben es, nicht nur gedanklich in eine Rolle zu schlüpfen, sondern auch körperlich. Mit Hilfe einer Verkleidung oder gar Schminke fällt ihnen der Rollentausch meist einfacher. Bevor Eltern also alte Kleidungsstücke entsorgen, sollten Sie eine „Verkleidungssammlung“ anlegen. Kinder können sich hier für alles begeistern: Egal, ob alter Schmuck, Hüte, Tücher oder abgelegte Kleidung. Aber auch Utensilien werden gerne benutzt, wie zum Beispiel der alte, abgelaufene Verbandskasten aus dem Auto oder altes Geschirr. Kinder sind hier äußerst kreativ und benötigen keine ausgefallenen Gegenstände, um sie im Rollenspiel zu verwenden oder gar zum Leben zu erwecken.
  • Eltern können dabei auf teures Kinderspielzeug verzichten. Kein Kind benötigt eine professionelle Putzstation oder gar Kinderbügeleisen und Kinderbügelbrett. Natürlich sehen diese liebevoll gestalteten Kinderspielzeuge toll aus und begeistern beim Spiel, doch nötig ist das nicht. Kinder besitzen eine gesunde Phantasie, die auch gefördert werden soll. Dazu eignen sich Alltagsgegenstände meist besser: sie lassen sich je nach Situation ganz neu anpassen und sind vielseitig verwendbar.
  • Auch Eltern dürfen in neue Rollen schlüpfen: Genießen Sie es, mit ihrem Kind den Dschungel zu erkunden, gegen Drachen zu kämpfen oder mit der Eisenbahn durch eine Eiswüste zu fahren. Je mehr Erwachsene sich darauf einlassen, desto besser lernen sie, ihre Kinder zu verstehen. Dabei sollten Eltern ihren Kindern die Regie überlassen und sich voll und ganz auf das Abenteuer einlassen, das sich ihnen bietet. 
  • Auch Eltern dürfen die Regie übernehmen: Steht beispielsweise ein wichtiges Ereignis an, auf das sie ihre Kinder vorbereiten möchten, sollten sie den Verlauf der Handlung bestimmen und das Kind so auf das kommende Erlebnis vorbereiten. 

 

Entfalten im angeleiteten und freien Rollenspiel

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© Tatjana Naß

Rollenspiele bieten Kindern, aber auch den Eltern, ausreichend Möglichkeiten, sich zu entfalten. Denn wie in einem angeleiteten Rollenspiel (beispielsweise beim Live Rollenspiel (LARP) oder dem Pen & Paper), wird das Spiel in eine bestimmte Richtung gesteuert. Hier ist das Thema und der Verlauf der Handlung vorgegeben und auch das zu erwartende Ergebnis. Beim angeleiteten Rollenspiel können Kindern bestimmte Rollen zugeteilt werden, um Kompetenzen zu fördern. So kann ein ängstliches Kind zum Beispiel in die Rolle des Bösewichts schlüpfen oder eine Rolle einzunehmen, die ihm als Gegenüber im wahren Leben Angst macht. 

Das kindliche Rollenspiel sollte von Eltern also nicht nur gefördert, sondern auch aufgegriffen werden. Denn Kinder entwickeln so nicht nur soziale Kompetenzen. Auch die Bindung und Beziehungsfähigkeit zu anderen verändert sich auf diesem Wege positiv. Wer gemeinsame Abenteuer erlebt – auch wenn sie nur imaginär stattfinden – der fördert die Bindung zu einander und kann sich später dann auch darüber austauschen. Es lohnt sich also, Kindern den Zugang zu einer eigenen Phantasiewelt zu ermöglichen, sie dabei zu unterstützen und ihre Einladung zum gemeinsamen Spiel anzunehmen.

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